Inspiriert von der Masterclass – zwei Wege in die Forschung am CERN

Zwei Frauen mit Laptops unterm Arm stehen vor einem Detektormodell

Zwei Forscherinnen, zwei Karrierewege – beide haben Stefanie Morgenstern (im Bild links) und Aleksandra Poręba (rechts) ans CERN geführt. Und beide haben schon als Schülerinnen an einer Masterclass von Netzwerk Teilchenwelt teilgenommen. Stefanie war zunächst Fellow am CERN und ist jetzt Postdoktorandin an der Universität Heidelberg und Spezialistin für das Trigger-System bei ATLAS. Dieses Jahr war sie Run-Managerin der Datennahme bei ATLAS. Für ihre Arbeiten wurde sie 2024 mit einem Outstanding Achievement Award von der ATLAS-Kollaboration ausgezeichnet. Aleksandra ist Doktorandin an der Universität Heidelberg und forscht am CERN. Beide erzählen hier über ihren Weg von der Schulbank in die Wissenschaft.

Stefanie, wie bist du zur Physik gekommen und hatte die Masterclass an der TU Dresden dabei eine besondere Bedeutung?

Stefanie: Ich bin mir gar nicht so sicher, wie es genau angefangen hat, aber als ich in der Schule Physikunterricht bekam, habe ich schnell gemerkt, dass mich das Fach fasziniert – vielleicht auch, weil ich sehr gute Lehrkräfte hatte. Besonders die Teilchenphysik fand ich spannend, dieses Blicken ins Allerkleinste. Mein Physiklehrer hat mir dann von einer Masterclass an der TU Dresden erzählt, an der ich mit zwei Mitschüler:innen teilgenommen habe. Dort haben wir mit echten Daten gearbeitet, und das war unglaublich aufregend. Diese Erfahrung war sicher nicht der einzige Grund, warum ich Physik studiert habe, aber sie hat mir großen Spaß gemacht und mich motiviert, weiterzumachen. Später habe ich selbst Masterclasses betreut und während meiner Doktorarbeit am CERN die Videokonferenzen am Ende moderiert. Es ist ein schönes Gefühl, heute auf der anderen Seite zu stehen und vielleicht andere Schüler:innen genauso zu inspirieren, wie ich es damals war.

Aleksandra, du hast Informatik studiert und arbeitest jetzt am CERN in einem physikalischen Umfeld. Wie kam es dazu?

Aleksandra: Ich habe in Krakau studiert, komme aber aus Nowy Sącz, einer kleineren Stadt in Polen. Schon in der Schulzeit war ich zwischen Physik und Informatik hin- und hergerissen. Als die Masterclasses angekündigt wurden, war ich sofort begeistert und habe teilgenommen. Eine großartige Erfahrung, auch wenn ich damals die Einzige aus meinem Jahrgang war. Danach habe ich Angewandte Informatik studiert, immer mit engem Bezug zur Physik. Mein angestrebter Doktortitel ist zwar in Informatik, aber ich arbeite an der Schnittstelle zur Teilchenphysik. Jetzt am CERN habe ich selbst Masterclasses moderiert. Es ist schön, heute anderen zu zeigen, dass es am CERN nicht nur Physikerinnen gibt, sondern auch Informatikerinnen, Ingenieurinnen und viele andere, die hier ihren Platz finden.

Stefanie: Aleksandras Weg zeigt sehr schön, dass es viele Möglichkeiten gibt, in der Teilchenphysik zu arbeiten. Oft denkt man, man müsse Physik studieren, um am CERN zu sein, aber das stimmt nicht. Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen tragen hier etwas bei, und genau das macht die Arbeit so spannend.

Stefanie, was hat dich damals an der Physik am meisten fasziniert und ist das heute immer noch so?

Stefanie: Mich hat schon immer der Wunsch angetrieben zu verstehen, wie die Dinge funktionieren, wie unser Universum und alles um uns herum aufgebaut sind. Das hat sich bis heute nicht geändert, auch wenn sich mein Blick darauf im Laufe der Zeit verändert hat. Als Studentin stellt man sich den Alltag in der Forschung noch ganz anders vor, aber die Neugier bleibt dieselbe. Ich finde es faszinierend, dass wir mit einfachen Modellen so viel erklären können, und gleichzeitig beeindruckt mich, dass Menschen gemeinsam riesige Experimente wie den LHC bauen und betreiben können. So viele engagierte Menschen aus aller Welt mit ganz unterschiedlichen Hintergründen arbeiten hier an einem gemeinsamen Ziel. Diese Zusammenarbeit ist einzigartig und für mich etwas wirklich Schönes.

Aleksandra, was gefällt dir an deinem Arbeitsalltag am CERN am meisten und was am wenigsten?

Aleksandra: Mir gefällt besonders, dass die Arbeit hier so vielfältig und abwechslungsreich ist. An einem Tag programmiere ich, am nächsten lese ich wissenschaftliche Artikel oder bespreche Ergebnisse mit Kolleg:innen. Wenn man vom Forschen einmal genug hat, kann man sich um die Betriebsabläufe kümmern oder sich in der Wissenschaftsvermittlung engagieren, zum Beispiel bei den Masterclasses. Das Leben am CERN ist wirklich nie langweilig. Außerdem treffe ich hier Menschen aus der ganzen Welt mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, von denen man ständig Neues lernt. Was mir am wenigsten gefällt? Das ist eine schwierige Frage – wahrscheinlich, wenn es einfach zu viele Meetings gibt und kaum Zeit bleibt, wirklich etwas zu schaffen.

Stefanie, wie erlebst du die Masterclasses heute, wenn du sie selbst betreust?

Stefanie: An den Schulen war es schön, direkt mit den Jugendlichen zu arbeiten, ihre Fragen zu hören und zu merken, wie interessiert sie sind. Gleichzeitig musste ich lernen, komplexe Themen verständlich zu erklären – das war eine Herausforderung. Später, am CERN, habe ich die Masterclasses bei den Videokonferenzen aus einer neuen Perspektive erlebt, wenn sich Gruppen aus aller Welt zusammenschalten. Es ist faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich die Fragen und Blickwinkel aus verschiedenen Ländern sind. Viele fragen dann, wie man zum CERN kommt, und ich finde es schön, zeigen zu können, dass dieser Weg gar nicht so weit ist. Mir ist es wichtig, mit den Masterclasses etwas zurückzugeben, denn ich erinnere mich noch genau, wie begeistert ich selbst als Schülerin war. Dieses Staunen und die Freude an der Forschung möchte ich weitergeben.

Aleksandra: Da stimme ich total zu. Es ist ein besonderes Erlebnis, als Schülerin oder Schüler direkt mit einer Physikerin oder einem Physiker vom CERN zu sprechen. Das hat mich damals sehr beeindruckt.

Was würdet ihr eurem 16-jährigen Ich raten?

Aleksandra: Mach das, was dir Freude bereitet, und vertraue darauf, dass sich alles fügen wird. Man sollte sich nicht zu viele Gedanken darüber machen, was „sicher“ oder „vernünftig“ ist. Folge deinen Interessen und Leidenschaften, studiere, was dich begeistert, der Rest ergibt sich mit der Zeit. Und mach dir nicht zu viel Stress wegen Prüfungen, sie sind später weit weniger wichtig, als sie jetzt scheinen.

Stefanie: Da stimme ich vollkommen zu. Ich würde meinem jüngeren Ich raten, mutig zu sein und einfach loszugehen. Man sollte sich nicht davon abhalten lassen, etwas zu tun, nur weil es nicht „typisch“ ist. Gerade in der Physik oder Informatik hört man das als Mädchen noch oft. Wenn dich etwas interessiert, dann mach es. Am Ende bereut man eher das, was man nicht versucht hat. Und selbst wenn man später einen anderen Weg einschlägt, ist das völlig in Ordnung, jede Erfahrung bringt einen weiter.

Das Interview führte Malte Müller (übersetzt aus dem Englischen).